Andreas Gryphius
Leben und Werk
Stich von Philipp Kilian nach einem anonymen Ölgemälde
Frontispiz in Andreae Gryphii Dissertationes Funebres, Oder Leich-Abdanckungen [...] Leipzig: Hahn, 1667.
Staatsbibliothek zu Berlin, Preußischer Kulturbesitz, Signatur: Yz 11048
Zeittafel
2. Oktober 1616
Andreas Gryphius wird im niederschlesischen Glogau geboren. Der Vater ist Paul Gryphius (*1560 in Uthleben, Thüringen), seit 1602 Diakon, seit 1604 Archidiakon in Glogau. Die Mutter ist Anna Erhard (*1592), vermutlich Tochter eines Offiziers des Herzogs von Alba.
1618
Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges.
5. Januar 1621
Der Vater Paul stirbt unerwartet.
12. April 1622
Die Witwe Anna Gryphius heiratet den Magister Michael Eder, Lehrer an der Schule in Glogau. Obwohl Gryphius in zwei Gedichten den Verlust eines Erbteils beklagt, verfasst er später auch zahlreiche Lobgedichte auf den Stiefvater.
21. März 1628
Die Mutter Anna stirbt.
1628
Der Landeshauptmann von Glogau, der katholische Georg Freiherr von Oppersdorff zu Aich und Friedstein, ordnet die Auslieferung der Stadtpfarrkirche an die Katholiken und die Entlassung der evangelischen Pastoren an. Als sich Widerstand regt, besetzen Lichtensteiner Dragoner in der Nacht vom 29. zum 30. Oktober Glogau. Zwangskonversionen und die Flucht zahlreicher Protestanten nach Polen ist die Folge. Auch Michael Eder flüchtet ins polnische Diebritz und holt Andreas noch im selben Jahre nach. Die dortigen Bildungsvoraussetzungen sind unbefriedigend; Andreas lernt das meiste im Selbststudium und bei seinem Stiefvater Eder.
Karte Glogaus (vermutl. 1621)
aus Gerhard Mercator, Jodocus Hondius, Peter Uffenbach: Atlas Minor, Das ist: Eine kurtze, jedoch gründliche Beschreibung der gantzen Welt [...]. Amsterdam: Jansson, 1651.
Staatsbibliothek München, Signatur: 4 Mapp. 71-1/2, URN: urn:nbn:de:bvb:12-bsb11164880-1
2. September 1629
Michael Eder heiratet Maria Rißmann (*1610/11), mit der Gryphius ein freundschaftliches Verhältnis verbindet: Die Lissaer Sonette (1637) widmet er seiner Stiefmutter.
17. April 1631
Andreas Gryphius bricht nach Görlitz auf, um sich an der dortigen Schule einzuschreiben. Wegen des Krieges findet er dort jedoch keine Unterkunft. Er nimmt Station bei seinem Halbbruder Paul Gryphius (1601–1640) in Rückersdorf und reist anschließend weiter nach Glogau. Ob er beabsichtigte, in seiner Heimatstadt die Schule zu besuchen, ist unklar, waren doch alle protestantischen Schulen inzwischen aufgelöst und die jesuitischen Kollegs Katholiken vorbehalten.
24. Juni 1631
Gryphius wird Zeuge des großen Stadtbrandes, der Glogau bis auf sechzig Häuser zerstört. In Fewrige Freystadt (1637) erinnert sich der Dichter dieses Erlebnisses. Eine anschließende Pestepidemie zwingt Gryphius abermals, Glogau zu verlassen und vermutlich nochmals zu seinem Bruder Paul zu reisen.
3. Juni 1632
Gryphius zieht nach Fraustadt, neben Lissa einer der Hauptzufluchtsorte schlesischer und böhmischer Protestanten. Fraustadt erfährt in der Folge ebenso wie Lissa eine wirtschaftliche und kulturelle Blüte. Gryphius besucht die dortige Schule und wohnt beim Arzt Caspar Otto, später bei Caspar Hofmann.
1633
Eine Pestepidemie sucht Schlesien heim und dezimiert allein die Bevölkerung Breslaus um die Hälfte.
16. Mai – 23. Juni 1634
Gryphius reist nach Danzig und beginnt das ‚Studium‘ am akademischen Gymnasium. Das Danziger Gymnasium bot – ähnlich dem berühmten Breslauer Elisabeth-Gymnasium – ein Curriculum an, das über das übliche Gymnasialpensum hinausging.
1636
Gryphius kehrt aus Danzig zurück nach Fraustadt und wird am 18. August Hauslehrer (ephorus) beim Staatsgelehrten Georg Schönborner (1579–1637), dessen reichhaltige Bibliothek Gryphius benutzen darf und von dem er zum Magister ernannt wird.
23. Dezember 1637
Georg Schönborner stirbt. Gryphius bereitet gemeinsam mit dessen Söhnen die Reise nach Leiden vor.
Mai–Juni 1638
Gryphius reist gemeinsam mit den Söhnen Schönborners über Danzig (5. Juni), die Ost- und Nordsee (26. Juni–18. Juli) und Amsterdam (18. Juli) nach Leiden, wo er sich am 26. Juli als „Magister Andreas Gryphius, 22, Philosophiae studiosus“ immatrikuliert.
1638–1644
Gryphius studiert in Leiden Philosophie und Ius, besucht aber auch andere, u.a. anatomische Vorlesungen. Zu seinen wichtigsten Lehrern in Leiden gehören u.a. Daniel Heinsius, Marcus Boxhornius und Claude de Saumaise. Darüber hinaus hält Gryphius selbst Kollegs, in denen er u.a. die aristotelische Philosophie mit derjenigen der „Erneuerer“ vergleicht. In Leiden macht Gryphius im Herbst 1638 auch die Bekanntschaft Christian Hoffmanns von Hoffmannswaldau.
Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau (1616-1679)
Stich von Philipp Kilian nach einem Porträt von Georg Schultz
aus Georg von Schöbel und Rosenfeld: Germanus Vratislaviae Decor [...]. Breslau: Jacobus, 1667.
SLUB Dresden, Signatur: Hist.urb.Germ.36, http://digital.slub-dresden.de/werkansicht/dlf/86827/35/0/
Juni 1644
Gryphius bricht als Begleiter des Stettiner Kaufmannssohnes Wilhelm Schlegel zu einer Peregrinatio Academica nach Frankreich und Italien auf.
3. Juli 1644
Die Reisegesellschaft gelangt nach Paris, wo Gryphius u.a. die Bibliothek Kardinal Richelieus besucht.
Frühjahr 1646
Gryphius erreicht Rom, nachdem er zuvor über Angers und Marseille nach Florenz gereist war. In Rom macht Gryphius u.a. die Bekanntschaft Athanasius Kirchers und begegnet Papst Innozenz X.
März–April 1646
Gryphius reist über Tusculum, Florenz und Bologna nach Venedig, dem er sein Epos Olivetum widmet.
̴ Mai 1646
Gryphius reist über die Alpen nach Straßburg. Dort lernt er u.a. den Professor für Rhetorik Johann Conrad Dannhauer (1603-1666) kennen, einen der ersten Verfasser einer Hermeneutik. Gryphius fasst Freundschaft mit dem Historiker und Rechtsgelehrten Johann Heinrich Boecler (1611-1672), den späteren Verfasser eines ausführlichen Kommentars zu Hugo Grotiusʼ De Jure Belli ac Pacis.
Johann Heinrich Boeckler (1611-1672)
Frontispiz aus Joannis Henrici Boecleri [...] Dissertationes Academicae. Editio Secunda. Straßburg: Dulssecker, 1701.
Staatsbibliothek München, Signatur: Opp. 662 f-1, URN: urn:nbn:de:bvb:12-bsb10951249-9
25. Mai 1647
Gryphius verlässt Straßburg rheinabwärts nach Speyer, besichtigt das Reichskammergericht und reist anschließend über Mainz, Köln und Frankfurt am Main nach Amsterdam.
25. Juli 1647
Gryphius kommt in Stettin an und verbringt über drei Monate im Hause seines Freundes Schlegel.
8. November 1647
Gryphius verlässt Stettin in Richtung Heimat.
20. November 1647
Gryphius kommt in Fraustadt an.
1647/48
Gryphius erhält Rufe auf Professuren in Heidelberg, Frankfurt an der Oder und Uppsala, lehnt diese aber ab.
15. Mai – 16. Oktober 1648
Der Westfälische Friede beendet den Dreißigjährigen Krieg.
16. Januar 1649
Gryphius heiratet Rosina Deutschländer, Tochter eines Fraustädter Kaufmanns und städtischen Rates. Von sieben Kindern sterben vier früh (Konstantin, Theodor, Maria und Elisabeth); die Tochter Anna Rosina leidet an schwerer Kinderlähmung; der älteste Sohn Christian Gryphius (1649–1706) erwirbt sich als Professor am berühmten Breslauer Elisabethgymnasium sowie als Herausgeber der Neuausgabe von Andreas Gryphiusʼ Werken (1698) einen Ruf.
Christian Gryphius (1649-1706)
Frontispiz in Christiani Gryphii Poetische Wälder. Frankfurt, Leipzig: Bauch, 1707.
SLUB Dresden, Signatur: 36.8.2324, http://digital.slub-dresden.de/id353594008
3. Mai 1649
Andreas Gryphius wird als Syndikus der Glogauer Landstände vereidigt. In dieser Funktion ist vor allem mit der Schließung zahlreicher evangelischer Kirchen in Niederschlesien konfrontiert und ediert 1653 die Glogauisches Fürstenthumbs Landes Privilegia.
1662
Gryphius wird unter dem Beinamen der Unsterbliche Mitglied der Fruchtbringenden Gesellschaft.
16. Juli 1664
Andreas Gryphius erliegt bei einer Sitzung der Landstände in Glogau einem Schlaganfall.